Frequently Asked Questions

Wir haben im Wald ein paar Antworten auf Fragen ausgehängt, die wir so oder so ähnlich immer wieder gestellt bekommen, für Menschen, die diese Fragen vielleicht auch gerne mal stellen würden, aber keine Gelegenheit dazu finden. Es freut uns, dass immer wieder Menschen stehen bleiben und interessiert lesen:

Hallo lieber Spaziergänger, liebe Spaziergängerin, liebes Spaziergängy,

eine Waldbesetzung ist für manche von euch vielleicht ein seltsamer Ort, der Fragen aufwirft. Immer wieder kommen neugierige Menschen bei uns vorbei und fragen uns viele Sachen und wir freuen uns, in Gespräche zu kommen, vielleicht gemeinsam einen Tee zu trinken oder einen Teller Eintopf zu essen. Aber durch diesen Wald laufen noch viel mehr Menschen, und oft fragen wir uns, was diese so bewegt, und was sie uns gerne fragen würden.

Für Menschen, die nicht bei uns vorbeikommen wollen, aber neugierig sind, haben wir mal ein paar oft gestellte Fragen gesammelt. Die Menschen, die sie beantworten, können dabei nur für sich sprechen, denn Menschen haben auf diese Fragen ganz unterschiedliche Sichtweisen. Aber vielleicht helfen die Erklärungen, über einige dieser Fragen ein bisschen das Nachdenken und Verständnis anzuregen.

Kann man denn hier noch durchlaufen?

Klar. Die Barrikaden sind dafür da, Fahrzeuge und schweres Gerät aufzuhalten. Für Menschen sind sie immer offen und auch extra so gebaut, dass Fahrräder, Rollstühle, Kinderwägen etc. gut vorbeikommen. Komm gerne rum (immer den Barrikaden nach) und trinkt einen Tee oder Kaffee mit uns, komm zum Waldspaziergang am Sonntag um 14 Uhr oder sprich uns an und frag uns, was du wissen willst.

Seid ihr überhaupt von hier und wisst, wie überlastet der Erlenbruch ist?

Menschen kommen von sehr unterschiedlichen Orten. Viele aus dem Wald sind nicht von hier, aber gerade setzen wir uns für diesen Ort ein, mit vielen zusammen, die in der Bürger:inneninitiative Riederwald und im ‘Aktionsbündnis unmenschliche Autobahn’ schon lange gegen den Riederwaldtunnel kämpfen und schon lange hier leben.

Ich denke die Klimakrise ist kein regionales Problem, sondern ein globales. Und die Verkehrswende, hin zu mehr öffentlichen Verkehrsmitteln ist mindestens ein deutschlandweites Problem.

Was wir brauchen, sind weniger Autos, und das sehr schnell. Auch wenn lokal eine Entlastung versprochen wird, gilt insgesamt: wenn mehr Straßen gebaut werden, dann ziehen die mehr Verkehr an. Und selbst wenn der im Erlenbruch kurz in einem Tunnel verschwindet; irgendwo anders muss diese Straße auftauchen. Eine Entlastung des Erlenbruchs geht zusammen mit einem Stopp des Riederwaldtunnels und des Autbahnbaus und einem Rückbau der bestehenden Autobahnen. In zehn Jahren, wenn der Tunnel fertig sein soll, wünsche ich mir, dass wir schon längst die Verkehrswende geschafft haben.

Wovon lebt ihr? Habt ihr keine Arbeit? Wieso habt ihr so viel Zeit?

Menschen nehmen sich die Zeit, für diesen Wald zu kämpfen, weil diese es gerade so wichtig und akut finden. Wir haben echt wenig Zeit, die Klimakatastrophe noch in den Griff zu bekommen. Und der Fecher ist echt viel Arbeit – bauen, kochen, spülen, organisieren, informieren und sich informieren, sich umeinander kümmern, ….

Manche haben daneben noch eine Lohnarbeit, studieren, oder beziehen Sozialleistungen.

Sehr viel von dem was wir brauchen ist weggeworfenes und gerettetes Essen und überschüssiges Material, das anderswo nicht mehr gebraucht wird. Was wir nicht kostenlos bekommen können bezahlen wir aus Spenden.

Warum seid ihr vermummt? Warum zeigt ihr für euren Protest nicht Gesicht?

Menschen haben da ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Es gibt auch Menschen im Wald, die für ihren Protest hier mit Namen und Gesicht stehen, und das ist super. Genauso legitim ist es aber, wenn Menschen lieber anonym bleiben wollen. Und dazu gehört auch, das Gesicht nicht zeigen zu wollen.

Das kann unterschiedliche Gründe haben. Einer davon ist die (zunehmende) Kriminalisierung von Klimaprotest, die absolut unverhältnismäßig ist. Hausdurchsuchungen wegen passivem Protest zum Beispiel, wie aktuell bei der Letzten Generation.

Ein weiterer Grund ist die Sorge, von politischen Gegnern, wie Faschisten/Rechtsextremisten erkannt zu werden. Es hat auch schon Angriffe auf unsere Waldbesetzung gegeben, Sachen wurden zerstört und Nazi-Symbole wurden an Bäume im Umkreis gesprüht. Das kann Angst machen.

Und gerade in Hessen wissen wir, dass es auch in der Polizei rechte Chatgruppen und Netzwerke, wie den NSU 2.0 gibt, wo Daten über missliebige Personen ausgetauscht werden. Denen wollen viele Menschen, die sowohl dem Staat, als auch Faschisten ein Dorn im Auge sein wollen, ihr Gesicht lieber nicht zeigen.

Ist das nicht undemokratisch, gegen eine beschlossene Sache zu demonstrieren? Kann man nicht einfach im Rahmen des Rechtsstaats eine Demonstration machen?

Bei diesem demokratischen Beschluss, der auch noch mehrere Jahrzehnte zurückliegt, konnten die Menschen, die am meisten durch die Klimakrise betroffen sind, im globalen Süden, gar nicht mitentscheiden. Kann eine Gruppe ‘demokratisch’ darüber entscheiden, die Lebensgrundlagen von Millionen und Milliarden Menschen im globalen Süden zu zerstören?

Und: Zur Demokratie gehört auch Protest und Widerstand. Viele der Rechte, die wir heute als selbstverständlich sehen, wie Frauenwahlrecht oder der 8-Stunden Tag sind durch illegale, irreguläre Proteste und Streiks erkämpft worden. Und was heute gegen das Gesetz ist, wird sich womöglich in Zukunft als genau richtig herausstellen.

Und Rechtsstaat bedeutet nicht ‘Gesetze mit voller Härte durchsetzten’, auch wenn das Wort oft so benutzt wird. Im Gegenteil soll der Rechtsstaat gerade Menschen vor staatlichen Übergriffen schützen. Insbesondere sind die Menschen, die mit der bestehenden Ordnung nicht einverstanden sind und Gesetze verändern wollen durch die Versammlungsfreiheit geschützt. Auch unsere Waldbesetzung ist durch die Versammlungsfreiheit geschützt – sogenannte ‘Leiterlose Dauerversammlung’ dazu gibt es ein Gerichtsurteil aus Sachsen-Anhalt zu einer Waldbesetzung gegen die A14.

Das gehört alles zu dieser Demokratie und zu diesem Rechtsstaat dazu.

Aber es hat sich gezeigt und zeigt sich, dass nach den bestehenden Regeln zu spielen alleine nicht ausreicht, um einen Wandel zu erreichen. Auch für Klimaschutz wurde schon im Pariser Klimaabkommen demokratisch entschieden – wenn auch noch viel zu wenig – und selbst das wird nicht umgesetzt. Und wir wollen ja noch viel mehr als Klimaschutz; er muss ja auch sozial und für alle da sein.

Ich habe auf euren Plakaten gelesen, dass ihr Anarchismus fordert. Ich verbinde mit Anarchie etwas Beängstigendes, Chaos und Gewalt.

Anarchie bedeutet Herrschaftsfreiheit, nicht Regellosigkeit und Chaos.

Die bestehende Ordnung in unserer Gesellschaft ist für viele Menschen in Deutschland im Moment noch sehr angenehm, da sie unseren Wohlstand schützt. Der ist aber sehr ungleich verteilt. In Deutschland selbst und auch global. Unsere Ordnung ist eine Ordnung, die für viele Menschen Gewalt und Unterdrückung bedeutet: Menschen, die im globalen Süden zu Hungerlöhnen und unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen die Bananen anbauen, die wir essen, die Kleidung nähen, die wir tragen oder das Lithium für die unsere Autobatterien abbauen, Menschen, die wegen der Klimakatastrophe, die durch die Lebensweise in Europa und dem gesamten globalen Norden verursachten wird, ihre Lebensgrundlage verlieren.

Die bestehende Ordnung, die für viele Menschen in Deutschand Sicherheit, Freiheit und Wohlstand bedeutet, heißt also für viele Menschen Gewalt, Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Das wird zum Beispiel besonders deutlich, wenn Menschen aus dem globalen Süden, deren Lebensraum wir durch die Klimakrise und unserem Raubbau zerstören zu uns fliehen müssen und wir sie dann an unseren europäischen Grenzen gewaltsam zurückdrängen, verprügeln oder frieren lassen.

Und diese ungerechte Ordnung, von der ein paar profitieren und unter der viele Menschen leiden, wird auch hier im Fecherwald bald ganz konkret mit Gewalt der Polizei durchgesetzt und mit noch einem neuen brutalen Straßenprojekt weiter fortgesetzt.

Wir können das nicht alles auf einmal ändern, aber wir versuchen uns hier und wie uns das möglich ist, dagegen zu stemmen und in unserem Zusammenleben Alternativen zu erproben. Wir wollen Herrschaft in unseren Beziehungen abbauen. Wir fänden es schön, wenn sich diese Versuche, etwas anderes auszuprobieren, sich in der Gesellschaft weiter ausbreiten. Das ist ein langer Weg, aber ich denke, er fängt im Konkreten an. Mach mit – oder mach dein Ding, vielleicht hast du ja noch ganz andere Ideen als wir.

Und wie organisiert ihr das konkret? Wie lebt ihr zusammen, wir organisiert ihr euch, wie trefft ihr Entscheidungen?

Wir versuchen hier eine solidarische Form des Zusammenlebens, die anders ist, als ihr das vielleicht gewohnt seid. Wir versuchen unser Zusammenleben hierarchiefrei und gleichberechtigt zu organisieren. Das bedeutet, dass es bei uns keine Menschen gibt, die anderen Menschen sagen können, was zu tun ist. Zumindest können alle Menschen einfach immer ‘Nein’ sagen, niemand kann uns soll zu irgendwas gedrängt oder überredet werden. Alle können machen was sie wollen. Und trotzdem wollen wir so zusammenleben, dass wir aufeinander und auf unsere unterschiedlichen Bedürfnisse achten und Entscheidungen der Gruppe oder von einzelnen keine schlechten Auswirkungen auf andere haben.

Zum Beispiel hinterfragen wir Verhaltensweisen, die unbewusst Dominanz von Männern über Frauen manifestiert, gesellschaftliche Konventionen und Vorstellungen von Normalität, die Menschen davon abhalten, so zu sein, wie sie sind, die Geschlechtsidentität zu leben, die sie wollen, zum Beispiel. Wir versuchen unsere Ressourcen und unser Wissen gemeinschaftlich zu nutzen so dass alle das bekommen oder lernen können, was sie brauchen und ihre Möglichkeiten etwas zu tun nicht von Geld, Status oder Wissen abhängen.

Das ist ein schwieriger Prozess, der nicht immer ganz einfach ist. Es bedeutet viel Reden und viel Zuhören, andere Perspektiven verstehen und einen guten Umgang zusammen finden, obwohl oder gerade weil man andere Ansichten und Herangehensweisen hat. Das funktioniert nicht immer konfliktfrei, denn wir sind hier sehr unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen vom guten Leben und von einer ordentlichen Küche. Aber uns eint das konkrete Ziel: den Fechenheimerwald zu beschützen und den Autobahnbau zu verhindern.

Auf einem eurer Banner steht: ‘Autonome Zone, No Cops’. Polizei ist doch Freund und Helfer, warum hasst ihr die Polizei so?

Viele Menschen in Deutschland erfahren keine Polizeigewalt, für sie ist die Polizei Freund und Helfer. Sie können sich oft nicht vorstellen, dass die Polizei auch diese andere, gewalttätige, unberechenbare Seite hat, die uns behelmt, gesichtslos, mit Knüppeln und Pfefferspray gegenübertritt.

Schwarze Menschen oder People of Colour / Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe müssen erfahren, dass sie grundlos von der Polizei vorverurteilt und kontrolliert und oft ruppiger und aggressiver behandelt werden oder auch ermordet.

Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung haben Angst, von der Polizei abgeschoben oder an unseren Grenzen zurückgedrängt zu werden.

Auch Waldbesetzis hier haben oft schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Bei der Räumung des Dannenröder Waldes vor zwei Jahren haben Polizisten einfach so Seile durchgeschnitten, obwohl dort Warnschilder hingen: ‘An diesem Seil hängt ein Menschenleben!’ Mehrmals sind durch dieses fahrlässige Verhalten Menschen heruntergefallen und ein Mensch hat sich dadurch einen Wirbel angebrochen. Ein anderer Mensch war fast zweieinhalb Jahre im Gefängnis, weil Polizisten des Sondereinsatzkommandos vor Gericht eine Lügengeschichte erzählt haben. In den Videos der Polizei ist zu sehen, dass die Geschichte der Polizisten nicht stimmt (ella.siehe.website).

Sogar ein Mensch, der als neutrale Beobachterin im Danni unterwegs war, wurde von Polizisten geschlagen.

Dies sind nur einige Beispiele von vielen Erfahrungen. Wir haben also gelernt, dass wir der Polizei nicht trauen können, wir können ihr nicht vertrauen, dass sie die Wahrheit sagt, rechtsstaatlich und verhältnismäßig arbeitet und unser Leben schützt statt zu gefährden. Und selbst wenn wir dem netten Polizisti von nebenan gegenüberstehen, der gerne Menschen helfen will: es ist immer noch dessen Aufgabe, Gewalt anzuwenden, um dieses zerstörerische Straßenprojekt umzusetzen. Deswegen sollten Polizistis lieber zuhause bleiben.

Es ist doch ziemlich kalt im Winter im Baumhaus zu schlafen?

Ja, aber mit dicken Schlafsäcken geht das schon klar.

Wie viele seid ihr denn?

Mit dir noch einer mehr.

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