Prozessbericht vom 16.5.2024, Hausfriedensbruch im Fecher-Kontext

Heute wurde ich (Daniel) wegen Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen a 15€ verurteilt. Hier ein kurzer Bericht aus dem Gerichtssaal. 

Nach Klärung der Personalien und Einkommensverhältnisse wurde mir der Straftatvorwurf eröffnet, zu dem ich mich nicht geäußert habe – lieber habe ich einige allgemeine Dinge erklärt: Im Straßenverkehr in Deutschland werden täglich im Schnitt 7 Menschen getötet. Neue Straßen führen immer zu mehr Verkehr und damit mehr Leid. Die letzten 11 Monate waren jeweils die heißesten Monate im globalen Schnitt seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Im Vergleich zum vorindustriellen Niveau war das letzte Jahr 1,6°C zu warm. Gegen diese fortschreitende Erwärmung wird aktuell effektiv fast nichts unternommen. Große Gebiete um den Äquator werden bei fortschreitender Erhitzung unbewohnbar werden, weil es dort schlicht zu heiss sein wird.

Anschliessend begann die Zeugenvernehmung, zunächst mit Herrn Vincenzi, der bei der Autobahn-GmbH mit dem Bau des Riederwaldtunnels befasst ist.Es ging um die Frage, wer wen zur Stellung von Strafanträgen bevollmächtigt hatte. Außerdem erklärte er auf meine Nachfrage, dass die Planungen für den A661-Lückenschluss schon aus dem letzten Jahrtausend sind, und 2007 der Planfeststellungsbeschluss für den Tunnelbau feststand.

Noch während der Befragung von Herrn Vincenci kam Herr Neuroth, ehemaliger Leiter der Niederlassung West der AutobahnGmbH an, und setzte sich vom Richter unbemerkt in den Publikumsbereich – eigentlich eine klare Verletzung der Strafprozessordnung, nach der Zeug:innen nicht vor ihrer Vernehmnung an der Hauptverhandlung teilnehmen dürfen, damit ihre Aussage nicht beeinflusst wird. Trotzdem wurde er anschliessend befragt. Von mir unter anderem dazu, warum die AutobahnGmbH überhaupt ein Interesse an meiner Strafverfolgung hat – unter anderem wohl, weil die Besetzung und Räumung Mehrkosten in 6-7-stelliger Höhe verursacht hat.
Meine Fragen, ob er sich der Konsequenzen seiner Handlungen (also der Umweltzerstörung und des Straßenbaus) für zukünftige Generationen bewusst ist, und wie er als Pensionär jetzt auf sein Lebenswerk zurückblickt, wurden vom Richter beanstandet und mussten daher – zumindest heute – nicht beantwortet werden.

Anschließend wurden zwei Polizistinnen befragt. Es gab einen vorgegebenen Text, der am Tattag, dem 19.01., immer wieder über Lautsprecher verlesen wurde, in dem erklärt wurde, dass ich Hausfriedensbruch begehe, und jetzt durch Beamte der Höhenrettung vom Baum geholt werde. Eine Aufforderung zu Gehen kam in diesem Text aber nicht vor. Meine Nachfrage, ob die Zeugin an dem Tag noch andere Durchsagen gemacht hat, wurde verneint. 
Aus einem Polizeibericht geht lediglich hervor, dass es Durchsagen mit der Aufforderung zu gehen am 18.01., dem ersten Räumungstag gab. Den Beweis, dass ich am 18.01. vor Ort war, blieb mir das Gericht bis zum Ende schuldig. Der Richter sagte zwar, dass es eine Aufforderung zum Gehen am 19.01. gab, daran kann ich mich jedoch nicht erinnern und auch in den Akten ist dazu nichts zu finden. Möglicherweise wurde ich also nie darauf hingewiesen, den Wald zu verlassen.

Danach wollte der Richter schon zu den Schlussplädoyers übergehen, vor dem Ende der Beweisaufnahme hatte ich aber selbst noch einiges zu sagen. Mein Plan war, durch eine Reihe von Beweisanträgen zu belegen, warum mein Handeln juristisch gerechtfertigt ist nach §34 des Strafgesetzbuchs. Dieser Paragraph besagt, dass eine eigentlich strafbare Handlung straffrei bleibt, wenn durch die Handlung ein Rechtsgut geschützt wurde, dass das verletzte Rechtsgut deutlich überwiegt. 
Denn Autobahnausbau generiert mehr Straßenverkehr, der direkt (Verkehrsunfälle) und indirekt (Schadstoffausstoß und Lärm) Menschen verletzt und tötet. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit dieser Menschen ist höher zu werten als das Hausrecht der Autobahn-GmbH. Dass eine Waldbesetzung ein geeignetes Mittel sein kann, um eine Waldrodung zu verhindern, hat die Besetzung des Hambis ja eindeutig bewiesen.
Diese Anträge wurden, ohne sie detailiert zu prüfen, vom Gericht abgelehnt, weil sie nicht von Bedeutung für die Entscheidung seien (§244 Abs 2 Nr 3 StPO).

Es folgte das Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft. Der objektive Tatbestand sei erfüllt, da ich trotz eindeutiger Aufforderung, den Ort zu verlassen, in einem Gebiet verweilt habe, in dem ich nicht sein durfte. Rechtfertigungsgründe für meine Tat gebe es keine, insbesondere sei mein Handeln nicht das für eine Rechtfertigung nach §34 StGB erforderliche mildeste Mittel.  Meine Motivation sei zwar ehrenwert, aber in Deutschland stehe niemand über dem Gesetz und daher müsse ich veruteilt werden – heute zwar noch zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen, aber wenn ich so weiter mache, würde irgendwann auch mal eine Haftstrafe im Raum stehen. Eindeutig ein Versuch, mich einzuschüchtern und von weiterem Protest abzuhalten – der aber ins Leere laufen wird. 

Daraufhin folgte mein Schlussplädoyer, in dem ich deutlich machte, warum mir kein anderes Mittel als die Besetzung blieb, um die Waldrodung zu verhindern: Die Pläne für den Bau des Tunnels stammen aus einer Zeit, zu der ich noch nicht geboren war. Finalisiert wurden sie in einer Planfeststellung 2007. Zu dem Zeitpunkt, zu dem auf regulärem politischen Wege das Projekt hätte verhindert werden können, war ich noch nicht geboren oder ein Kleinkind. Zum Tatzeitpunkt waren mildere Mittel schlicht nicht mehr gegeben.

In meinem letzten Wort habe ich noch an die Verantwortung appelliert, die wir alle, also auch der Richter und der Staatsanwalt, für die Zukunft zukünftiger Generationen haben. Ich komme meiner Verantwortung nach, indem ich Klimaaktivist bin, und nehme lieber das Risiko eventueller Haftstrafen in Kauf, als untätig zu bleiben.
Am Ende wurde ich wegen Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen a 15 € verurteilt. In der Urteilsbegründung sagte der Richter zwar, er habe verstanden, dass ich ein junger Mensch bin, der sich Sorgen um die Zukunft macht, meinte aber, ich habe mich strafbar gemacht, ohne dass es eine juristische Rechtfertigung gebe. Er bezeichnete mich (auch angesichts meiner Vorstrafen) als Überzeugungstäter, warnte wie auch der Staatsanwalt vor Haftstrafen, die irgendwann drohen, ergänzte noch seine persönliche Meinung über die Methodiken der letzten Generation, die ja keine Zustimmung in der Gesellsschaft fänden und legte mir nahe, mich zukünftig auf legalem Wege für meine Überzeugungen einzusetzen. 
Zum Abschluss wünschte er mir “trotzdem noch alles Gute”

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