Heute wurde ich (Daniel) wegen Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe von 70 TagessĂ€tzen a 15⏠verurteilt. Hier ein kurzer Bericht aus dem Gerichtssaal.Â
Nach KlĂ€rung der Personalien und EinkommensverhĂ€ltnisse wurde mir der Straftatvorwurf eröffnet, zu dem ich mich nicht geĂ€uĂert habe – lieber habe ich einige allgemeine Dinge erklĂ€rt: Im StraĂenverkehr in Deutschland werden tĂ€glich im Schnitt 7 Menschen getötet. Neue StraĂen fĂŒhren immer zu mehr Verkehr und damit mehr Leid. Die letzten 11 Monate waren jeweils die heiĂesten Monate im globalen Schnitt seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Im Vergleich zum vorindustriellen Niveau war das letzte Jahr 1,6°C zu warm. Gegen diese fortschreitende ErwĂ€rmung wird aktuell effektiv fast nichts unternommen. GroĂe Gebiete um den Ăquator werden bei fortschreitender Erhitzung unbewohnbar werden, weil es dort schlicht zu heiss sein wird.
Anschliessend begann die Zeugenvernehmung, zunĂ€chst mit Herrn Vincenzi, der bei der Autobahn-GmbH mit dem Bau des Riederwaldtunnels befasst ist.Es ging um die Frage, wer wen zur Stellung von StrafantrĂ€gen bevollmĂ€chtigt hatte. AuĂerdem erklĂ€rte er auf meine Nachfrage, dass die Planungen fĂŒr den A661-LĂŒckenschluss schon aus dem letzten Jahrtausend sind, und 2007 der Planfeststellungsbeschluss fĂŒr den Tunnelbau feststand.
Noch wĂ€hrend der Befragung von Herrn Vincenci kam Herr Neuroth, ehemaliger Leiter der Niederlassung West der AutobahnGmbH an, und setzte sich vom Richter unbemerkt in den Publikumsbereich – eigentlich eine klare Verletzung der Strafprozessordnung, nach der Zeug:innen nicht vor ihrer Vernehmnung an der Hauptverhandlung teilnehmen dĂŒrfen, damit ihre Aussage nicht beeinflusst wird. Trotzdem wurde er anschliessend befragt. Von mir unter anderem dazu, warum die AutobahnGmbH ĂŒberhaupt ein Interesse an meiner Strafverfolgung hat – unter anderem wohl, weil die Besetzung und RĂ€umung Mehrkosten in 6-7-stelliger Höhe verursacht hat.
Meine Fragen, ob er sich der Konsequenzen seiner Handlungen (also der Umweltzerstörung und des StraĂenbaus) fĂŒr zukĂŒnftige Generationen bewusst ist, und wie er als PensionĂ€r jetzt auf sein Lebenswerk zurĂŒckblickt, wurden vom Richter beanstandet und mussten daher – zumindest heute – nicht beantwortet werden.
AnschlieĂend wurden zwei Polizistinnen befragt. Es gab einen vorgegebenen Text, der am Tattag, dem 19.01., immer wieder ĂŒber Lautsprecher verlesen wurde, in dem erklĂ€rt wurde, dass ich Hausfriedensbruch begehe, und jetzt durch Beamte der Höhenrettung vom Baum geholt werde. Eine Aufforderung zu Gehen kam in diesem Text aber nicht vor. Meine Nachfrage, ob die Zeugin an dem Tag noch andere Durchsagen gemacht hat, wurde verneint.Â
Aus einem Polizeibericht geht lediglich hervor, dass es Durchsagen mit der Aufforderung zu gehen am 18.01., dem ersten RÀumungstag gab. Den Beweis, dass ich am 18.01. vor Ort war, blieb mir das Gericht bis zum Ende schuldig. Der Richter sagte zwar, dass es eine Aufforderung zum Gehen am 19.01. gab, daran kann ich mich jedoch nicht erinnern und auch in den Akten ist dazu nichts zu finden. Möglicherweise wurde ich also nie darauf hingewiesen, den Wald zu verlassen.
Danach wollte der Richter schon zu den SchlussplĂ€doyers ĂŒbergehen, vor dem Ende der Beweisaufnahme hatte ich aber selbst noch einiges zu sagen. Mein Plan war, durch eine Reihe von BeweisantrĂ€gen zu belegen, warum mein Handeln juristisch gerechtfertigt ist nach §34 des Strafgesetzbuchs. Dieser Paragraph besagt, dass eine eigentlich strafbare Handlung straffrei bleibt, wenn durch die Handlung ein Rechtsgut geschĂŒtzt wurde, dass das verletzte Rechtsgut deutlich ĂŒberwiegt.Â
Denn Autobahnausbau generiert mehr StraĂenverkehr, der direkt (VerkehrsunfĂ€lle) und indirekt (SchadstoffausstoĂ und LĂ€rm) Menschen verletzt und tötet. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit dieser Menschen ist höher zu werten als das Hausrecht der Autobahn-GmbH. Dass eine Waldbesetzung ein geeignetes Mittel sein kann, um eine Waldrodung zu verhindern, hat die Besetzung des Hambis ja eindeutig bewiesen.
Diese AntrĂ€ge wurden, ohne sie detailiert zu prĂŒfen, vom Gericht abgelehnt, weil sie nicht von Bedeutung fĂŒr die Entscheidung seien (§244 Abs 2 Nr 3 StPO).
Es folgte das SchlussplĂ€doyer der Staatsanwaltschaft. Der objektive Tatbestand sei erfĂŒllt, da ich trotz eindeutiger Aufforderung, den Ort zu verlassen, in einem Gebiet verweilt habe, in dem ich nicht sein durfte. RechtfertigungsgrĂŒnde fĂŒr meine Tat gebe es keine, insbesondere sei mein Handeln nicht das fĂŒr eine Rechtfertigung nach §34 StGB erforderliche mildeste Mittel. Meine Motivation sei zwar ehrenwert, aber in Deutschland stehe niemand ĂŒber dem Gesetz und daher mĂŒsse ich veruteilt werden – heute zwar noch zu einer Geldstrafe von 90 TagessĂ€tzen, aber wenn ich so weiter mache, wĂŒrde irgendwann auch mal eine Haftstrafe im Raum stehen. Eindeutig ein Versuch, mich einzuschĂŒchtern und von weiterem Protest abzuhalten – der aber ins Leere laufen wird.Â
Daraufhin folgte mein SchlussplĂ€doyer, in dem ich deutlich machte, warum mir kein anderes Mittel als die Besetzung blieb, um die Waldrodung zu verhindern: Die PlĂ€ne fĂŒr den Bau des Tunnels stammen aus einer Zeit, zu der ich noch nicht geboren war. Finalisiert wurden sie in einer Planfeststellung 2007. Zu dem Zeitpunkt, zu dem auf regulĂ€rem politischen Wege das Projekt hĂ€tte verhindert werden können, war ich noch nicht geboren oder ein Kleinkind. Zum Tatzeitpunkt waren mildere Mittel schlicht nicht mehr gegeben.
In meinem letzten Wort habe ich noch an die Verantwortung appelliert, die wir alle, also auch der Richter und der Staatsanwalt, fĂŒr die Zukunft zukĂŒnftiger Generationen haben. Ich komme meiner Verantwortung nach, indem ich Klimaaktivist bin, und nehme lieber das Risiko eventueller Haftstrafen in Kauf, als untĂ€tig zu bleiben.
Am Ende wurde ich wegen Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe von 70 TagessĂ€tzen a 15 ⏠verurteilt. In der UrteilsbegrĂŒndung sagte der Richter zwar, er habe verstanden, dass ich ein junger Mensch bin, der sich Sorgen um die Zukunft macht, meinte aber, ich habe mich strafbar gemacht, ohne dass es eine juristische Rechtfertigung gebe. Er bezeichnete mich (auch angesichts meiner Vorstrafen) als ĂberzeugungstĂ€ter, warnte wie auch der Staatsanwalt vor Haftstrafen, die irgendwann drohen, ergĂ€nzte noch seine persönliche Meinung ĂŒber die Methodiken der letzten Generation, die ja keine Zustimmung in der Gesellsschaft fĂ€nden und legte mir nahe, mich zukĂŒnftig auf legalem Wege fĂŒr meine Ăberzeugungen einzusetzen.Â
Zum Abschluss wĂŒnschte er mir “trotzdem noch alles Gute”